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101

 

Ungerechtigkeit.

 

Die Gerichtsbarkeit ist nicht um des Rechtsprechenden, sondern um des Gerichteten willen da [1]. Es ist gefährlich, dergleichen dem Volke zu sagen. Aber das Volk setzt zu viel Vertrauen in euch [2]; dies wird ihm nicht schaden und kann euch dienen. Man muß es also öffentlich bekanntmachen. Pasce oves meas, non tuas [3]. Ihr schuldet mir einen Weideplatz.

 

102

 

Sooft ich die winzige Dauer meines Daseins betrachte, die von der vergangenen wie der folgenden Ewigkeit gleichsam aufgesogen wird, memoria hospitis unius diei praetereuntis [4], den kleinen Raum, den ich ausfülle und den ich sogar von der grenzenlosen Unendlichkeit der Räume verzehrt sehe, die ich nicht kenne und die mich nicht kennen, entsetze ich mich und erstaune, mich eher hier als dort wiederzufinden, denn es gibt überhaupt keinen Grund, weshalb eher hier als dort, weshalb eher in der Gegenwart als jenseits derselben. Wer hat mich dorthin versetzt? Durch wessen Ordnung und Führung sind mir dieser Ort und diese Zeit bestimmt worden?

 

103

 

Elend.

 

Hiob und Salomo [5].

 

104

 

Wenn unser Zustand wahrhaft glücklich wäre, dann müßten wir uns nicht davon ablenken, an ihn zu denken.

 

105

 

Widerspruch.

 

Ein Dünkel, der jegliches Elend aufhebt. Entweder verbirgt er sein Elend, oder wenn er es enthüllt, dann rühmt er sich, es zu kennen.

 

106

 

Man muß sich selbst erkennen [6]. Wenn dergleichen Erkenntnis auch nicht hilfreich wäre, um die Wahrheit zu finden, so dient sie doch wenigstens dazu, sein Leben einzurichten. Und es gibt nichts, was angemessener wäre.

 

107

 

Die Empfindung über das Betrügliche der gegenwärtigen Freuden sowie die Unkenntnis der Eitelkeit der fehlenden Freuden bewirken den Wankelmut.

 

108

 

Ungerechtigkeit.

 

Sie haben kein anderes Mittel gefunden, ihre Begierden zu befriedigen, ohne den anderen Unrecht zuzufügen [7].

 

109

 

Hiob und Salomo [8].

 

110

 

Das Buch Ecclesiastes [9] zeigt, wie der Mensch ohne Gott in der Unkenntnis aller Dinge und im unvermeidlichen Unglücke verharrt. Denn etwas wollen und nicht können bedeutet unglücklich zu sein. Nun will er aber glücklich und etwelcher Wahrheit versichert sein, indes er weder etwas wissen kann, noch den Wunsch unterdrücken kann, etwas wissen zu wollen. Er kann nicht einmal zweifeln.

 

111 [10]

 

13 [11] - (Ist die Seele also noch ein zu vornehmer Gegenstand für die schwächlichen Erkenntnisse der Vernunft? Bringen wir sie denn auf eine Ebene mit der Materie. Sehen wir, ob sie erkennt, wie der eigene Körper beschaffen ist, den sie belebt, und jene anderen Körper, die sie betrachtet und nach ihrem Ermessen bewegt. Was haben davon wohl jene großen Dogmatiker erkannt, die alles wissen?

 

393 [12]

 

Harum sententiarum [13].

Dergleichen genügte zweifellos, wenn die Vernunft vernünftig wäre. Sie ist vernünftig genug zu bekennen, daß sie noch nichts Gewisses zu finden vermochte, jedoch gibt sie die Hoffnung noch nicht auf, einmal soweit zu gelangen. Vielmehr ist sie ebenso eifrig als jemals bei dieser ihrer Suche, und strebt darnach, in sich selbst die notwendigen Kräfte für eine derartige Eroberung zu besitzen.

Wir müssen sie also vollständig untersuchen, und nach erfolgter Prüfung ihrer Kräfte an ihren Wirkungen wollen wir sie an ihren Kräften selbst erkennen. Prüfen wir doch, ob sie etwelche Kräfte und gewisse Mächte besitzt, imstande, die Wahrheit zu erfassen.

13 – Möglicherweise aber übersteigt dieser Gegenstand den Horizont der Vernunft. Untersuchen wir also ihre Einfälle in bezug auf diejenigen Dinge, die in ihrer Macht stehen. Wenn es irgendetwas gibt, wo ihr eigenes Interesse sie in ihrer vollsten Ernsthaftigkeit zur Anwendung zwingen müßte, dann bei ihrer Suche nach dem höchsten Gut. Prüfen wir also, welchen Platz diese großen und klardenkenden Seelen letzterem angewiesen haben und ob sie hierin übereinstimmen.

Der eine behauptet, das höchste Gut bestehe in der Tugend, der andere sucht es in der Sinnenlust, noch ein anderer gebietet, der Natur zu folgen, wieder ein anderer sucht es in der Wahrheit, felix qui potuit rerum cognoscere causas [14], noch ein anderer in der sorglosen Unwissenheit der Dinge, der nächste in der Apathie [15], die anderen, indem sie den äußerlichen Erscheinungen widerstehen, ein anderer, indem er jeglichem Dinge seine Bewunderung versagt, nihil mirari prope res una quae possit facere et servare beatum [16], und unsere wackeren Pyrrhoniker in ihrer Ataraxie [17], ihrem unaufhörlichen Zweifel und ihrem ewigen Zustande der Unentschlossenheit, und etwelche andere, noch Weisere behaupten, daß man es überhaupt nicht finden könne, nicht einmal, falls man dergleichen wünschte. Und siehe, da haben wir nun den rechten Lohn dafür! [18]

 

Nachfolgenden Artikel

hinter die Gesetze stellen

 

Falls nötig prüfen, ob unsere hübsche Philosophie es nicht verstanden hat, durch eine so lange und so extensive Arbeit sichere Erkenntnisse zu erwerben. Vielleicht wird sich wenigstens die Seele selbst erkennen. Hören wir in Ansehung dieses Gegenstandes doch die Hofmeister [19] der Welt an.

Was haben sie über das Wesen der Seele gedacht? 395         

Hatten sie etwa mehr Glück, ihren Sitz ausfindig zu machen? 395

Was haben sie über ihren Ursprung, ihren Bestand und über ihr Dahinscheiden herausgefunden? 399

 

 (V) LANGEWEILE UND WESENTLICHE EIGENSCHAFTEN

DES MENSCHEN

 

112

 

Hochmut.

 

Wissensdurst ist in den meisten Fällen nichts weiter als Eitelkeit. Man will recht eigentlich nur etwas wissen, um darüber schwatzen zu können. Anderenfalls würde man wohl kaum das Meer befahren, wenn man niemals davon zu erzählen die Gelegenheit bekäme, nur um der reinen Schaulust willen, ohne Hoffnung, sich jemals irgend darüber mitteilen zu können.

 

113

 

Beschreibung des Menschen.

 

Abhängigkeit, Verlangen nach Unabhängigkeit, Bedürfnisse.

 

114

 

Den Überdruß, den man empfindet, jene Beschäftigungen aufzugeben, denen man anhängt. Ein Mann lebt mit Vergnügen in seiner Ehegemeinschaft. Sei es, daß er eine Frau sieht, die ihm gefällt, sei es, daß er fünf oder sechs Tage mit Vergnügen spielt – er sieht sich elend, sobald er wieder zu seiner anfänglichen Beschäftigung zurückkehren muß. Nichts ist gewöhnlicher als das.

 
 
[VI] URSACHE DER WIRKUNGEN [20]

 

115

 

[Das Geheimnis der] Achtung ist dies: Beschweret euch selbst.

Dergleichen klingt allem Anscheine nach unnütz, ist jedoch überaus richtig, denn es bedeutet: Ich würde euretwegen gerne Beschwerlichkeiten in Kauf nehmen, da ich dies ja auch tue, ohne daß es euch zum Nutzen gereicht. Außerdem dient die Achtung dazu, die Großen unterschiedlich zu behandeln. Wenn nun die Achtung darin bestünde, [faul] im Lehnstuhl zu liegen, würde man die ganze Welt achten und demnach keine Unterscheidungen treffen. Da man sein Leben jedoch unter Beschwerlichkeiten fristet, macht man große Unterschiede.

 

116

 

Die einzigen allgemeinen Regeln sind für die gewöhnlichen Dinge die Gesetze des jeweiligen Landes, und für alle übrigen die Mehrheit. Woher das kommt? Von der herrschenden Gewalt.

Und daher kommt es, daß jene Könige, die auch in den übrigen Dingen die Macht innehaben, nicht der Mehrheit ihrer Ministeriale folgen.

Ohne Zweifel ist die Gütergleichheit gerecht, aber da man nicht imstande ist zu bewirken, daß es zwingend ist, der Gerechtigkeit zu gehorchen, hat man vermocht, daß es recht ist, der Gewalt zu gehorchen. Außerstande, die Gerechtigkeit zu befestigen, hat man nun die Gewalt legitimiert, damit die Gerechtigkeit und die Gewalt vereinigt wären und Frieden herrschte, der das höchste Gut ist.

Die Weisheit verweist uns auf die Kindheit. Nisi efficiamini sicut parvuli [21].

 

117

 

Die Welt beurteilt die Dinge gut, denn sie befindet sich in jener natürlichen Unwissenheit, welche die wahre Wohnstatt des Menschen ist. Die Wissenschaften haben zweierlei Extreme, die einander berühren. Das erste ist die reine, natürliche Unwissenheit, worin sich alle Menschen von Geburt an befinden. Das andere Extrem ist jene Unwissenheit, wohin die großen Seelen gelangen, die, weil sie alles, was die Menschen jemals wissen können, durchlaufen haben, endlich finden, daß sie überhaupt nichts wissen und sich in jener selben Unwissenheit wiederfinden, von der sie ausgegangen waren. Aber es handelt sich hier eben um eine weise Unwissenheit, eine Unwissenheit, die sich selbst kennt. Jene zwischen den beiden Extremen, die von der natürlichen Unwissenheit ausgegangen sind und nicht zu jener anderen zu gelangen vermochten, haben einen gewissen Anstrich von jener hinreichenden Weisheit und spielen nun die Klugen. Jene sind es, welche die Weltbegebenheiten stören und überhaupt schlecht urteilen. Das Volk und die Weisen machen den Lauf der Welt aus; jene anderen mißachten ihn und werden ihrerseits mißachtet. Sie urteilen schlecht über alle Dinge, und die Welt urteilt darüber gut [22].

 

118 [23]

 

(Descartes.

 

Im allgemeinen muß festgestellt werden: „Dergleichen geschieht durch Gestalt und Bewegung“, denn dies verhält sich wahrhaft so. Aber zu sagen welche, und daraus gleichsam die Maschine zusammensetzen, dergleichen ist lächerlich, denn dergleichen ist unnütz, ungewiß und mühsam. Und wenn dergleichen wahr wäre, so glauben wir nicht, daß alle Philosophie [auch nur] eine [einzige] mühevolle Stunde wert wäre.) [24]

 

119

 

Summum ius, summa iniuria [25].

 

Die Mehrheit ist der beste Weg, da sie offensichtlich ist und die Macht hat, sich Gehorsam zu verschaffen. Indessen ist dies die Ansicht der Unklügsten.

Wenn man es vermocht hätte, hätte man die Gewalt in die Hände der Gerechtigkeit gelegt, aber weil die Gewalt sich nicht willkürlich gebrauchen läßt, da sie eine greifbare Eigenschaft vorstellt, während die Gerechtigkeit eine geistige Eigenschaft ist, über die sich nach Gefallen verfügen läßt, hat man die Gerechtigkeit in die Hände der Gewalt gelegt, weshalb man nun gerecht heißt, was man befolgen muß.

 

Von daher schreibt sich das Schwertrecht [Faustrecht], denn die Klinge verleiht ein wahrhaftes Recht [26].

 

Andernfalls sähe man die Gewalttat auf der einen Seite und die Gerechtigkeit auf der anderen.

Ende des zwölften Provinzialbriefes [27].

 

Von daher kommt die Ungerechtigkeit der Fronde, die sich erdreistet, ihre vorgeschützte Gerechtigkeit wider die Gewalt zu erheben.

 

Nicht also verhält es sich in der Kirche, denn in ihr besteht eine wahrhafte Gerechtigkeit und keine Gewalttat.

 

120

 

Veri iuris [28]. Wir haben nichts mehr davon. Hätten wir einen Begriff davon, so würden wir als Regel der Gerechtigkeit nicht annehmen, daß man den Sitten seines Landes folgen soll.

Da wir die Gerechtigkeit nicht zu finden im Stande waren, bedeutet dies, daß man vielmehr die Gewalt gefunden hat usw.

 

121

 

Der Kanzler ist würdevoll und mit einer reichverzierten Amtstracht angetan, denn sein Amt verheißt nur Trug. Nicht so der König: er hat die tatsächliche Macht. Er hat es nicht nötig, an die Einbildungskraft zu appellieren. Die Richter, Ärzte usw. haben nur ihre Einbildung.

 

122

 

Dergleichen ist eine Wirkung der Gewalt, nicht der Gewohnheit, denn jene, welche zu Erfindungen taugen, sind selten. Die Meisten wollen nur nachahmen und verweigern diesen Erfindern den Ruhm, den sie durch ihre Erfindungen zu erlangen hoffen [29]. Und wenn sie fortfahren, diesen erringen zu wollen und jene zu geringschätzen, die nichts erfinden, so werden ihnen die anderen lächerliche Namen geben, würden ihnen wohl auch eine tüchtige Tracht Prügel verabreichen. Man soll sich auf diesen Scharfsinn also nur ja nichts zugute halten, oder seine Zufriedenheit in sich selbst suchen.

 

123

 

Ursache der Wirkungen.

 

Folgendes ist wunderlich: man will nicht, daß ich einem Mann, der in Brokatgewänder gehüllt ist und dem sieben oder acht Diener folgen, die Ehre erweise; und wie! wird er mich die Peitsche schmecken lassen, wenn ich ihm den Gruß verweigere. Dieses Äußerliche bedeutet eine Gewalt. Es verhält sich damit ebenso wie ein prächtig aufgeputzter Gaul im Vergleich zu einem anderen. Montaigne wirkt lächerlich, wenn er darin keinen Unterschied sieht und darüber erstaunt, daß man einen solchen entdeckt und nach dessen Ursache forschen will. Wahrhaftig, sagt er, woher kommt es usw [30].  

 

124

 

Ursache der Wirkungen.

 

Übergang. Das Volk verehrt Personen von hoher Geburt. Die Halbweisen mißachten sie, indem sie behaupten, daß die Geburt kein Vorzug der Person, sondern des Zufalls sei. Die Weisen verehren sie, nicht in der Absicht des Volkes, sondern mit einem Hintergedanken. Die Frommen, die mehr Eifer als Weisheit besitzen, mißachten sie, ungeachtet jener Überlegung, die bewirkt, daß die Weisen sie verehren, weil sie durch eine andersartige Einsicht darüber urteilen, welche ihnen die Frömmigkeit verleiht. Die vollkommenen Christen jedoch verehren sie durch eine andere, höhere Erkenntnis.

Auf diese Weise folgen die Meinungen aufeinander für und wider, je nachdem, über wieviel Einsicht man verfügt.

 

125

 

Ursache der Wirkungen.

 


Man muß gleichsam einen Hintergedanken haben, und alles damit beurteilen, wobei man jedoch nach der Art des Volkes sprechen soll.

 

 
 
[1] Dieser Satz stammt von Montaigne, der hinzufügt: „Man bestellt einen Vorgesetzen niemals zu dessem eigenen Vorteil, sondern zum Vorteil des Untergebenen, wie man auch einen Arzt für den Kranken, und nicht für sich selbst bestellt“ (Aufsätze, III, 6, S 903).
 
 
 
[2] Brunschvicg zufolge wendet sich Pascal hier an die Apologeten der päpstlichen Autorität.
 
 
 
[3] Jesus vertraut Petrus nach seiner Auferstehung die Verantwortung an, der Hirte seines Volkes zu sein: „Weide meine Schafe“ (Johannes, XXI, 17). Der Heilige Augustinus ergänzt: „nicht die eueren“ (Brief an die Katholiken wider die Donatisten, 16, Nr. 40). Die Schafe sind weder das Eigentum des Petrus noch das Eigentum seiner Nachfolger. Wenn daher „die Könige über ihr Reich bestimmen, (...) können die Päpste keineswegs über das ihre bestimmen“ (siehe Fragment Nr. 586).
 
 
 
[4] Weish, V, 14: „Denn der Gottlosen Hoffnung gleicht dem Rauch, der vom Winde zerstreut wird, oder der flüchtigen Erinnerung an einen Gast, der vorüberwandelt, und sich nicht länger als einen Tag am selben Orte verweilt.“
 
 
 
[5] Siehe Fragment Nr. 22.
 
 
 
[6] Es handelt sich um jene berühmte Regel, welche sich im Tempel zu Delphi eingemeißelt findet („erkenne dich selbst“), die Sokrates sich angeeignet und welche er durch Platon einer zahllosen Nachwelt übermittelt hat – siehe P. Courcelle, Erkenne dich selbst. Von Sokrates zum Heiligen Bernhard, Augustinische Studien, 1974-1975. Vgl. Aufsätze, III, 9, S 1001: „Es war ein widersprüchliches Gebot, das uns in grauer Vorzeit jener delphische Gott gab: „Sieh in dich hinein, erkenne dich, verbünde dich mit dir selbst. (...) Außer dir, o Mensch“, sprach jener Gott, „prüft sich ein jeglich Ding zunächst selbst und hat, gemäß seiner Notwendigkeit, Einschränkungen in seinen Taten und Wünschen.“
 
 
 
[7] Den Menschen ist es mit Hilfe jener im übrigen tadelnswerten, politischen Systeme gelungen zu bewirken, daß nun Wesen auf eine allumfassende, befriedigende Weise in einem sozialen Gebäude zusammenleben, deren Eigenliebe und Begierde viel eher dazu angetan sind, sich gegenseitig zu knechten und zu unterjochen (siehe Fragment Nr. 150, 243, 244). Jenseits der Politik, kann der „sittliche Anstand“ – der jene offenbaren Leidenschaften verhüllt, nicht aber deren Quelle verschließt – ein menschliches Ideal der sozialen Fähigkeit und des gesellschaftlichen Zusammenlebens vorstellen, der jedoch immer von der grundsätzlichen Ungerechtigkeit des Menschen bezeichnet sein wird (siehe Fragment Nr. 494).
 
 
 
[8] Siehe Fragment Nr. 22 und 103.
 
 
 
[9] Das Buch Kohelet oder Prediger.
 
 
 
[10] Dieses Fragment wurde von Pascal nicht deshalb durchgestrichen, weil es aus dem Kontext ausgeschieden werden sollte, sondern weil er im selben Moment, da der Verfasser seine Einteilung vornahm, umseitig ein anderes Fragment gestaltete (Fragment Nr. 94).
 
 
 
[11] Siehe Fragment Nr. 229, 286.
 
 
 
[12] Rückblende auf die Ausgabe der Aufsätze von 1652. Die im Fragment angeführten Seiten 393, 395 und 399 entsprechen jeweils den Seiten 538, 541, 546 und demzufolge unserer Referenzausgabe von Villey-Saulnier aus dem Jahre 1965.
 
 
 
[13] Nachdem er die unendlich voneinander abweichenden Lehrmeinungen der Philosophen zum Gegenstande der Seele aufgezählt hatte, schloß Montaigne mit jenem Satz von Cicero: „Harum sententiarum quae vera sit, deus aliquis viderit“ („In Ansehung dieser Meinungen – welcher Gott will da entscheiden, welche die rechte ist“, Tusculanien, I, 11; aus: Aufsätze, II, 12, S 543).
 
 
 
[14] Siehe Fragment Nr. 27.
 
 
 
[15] Zustand einer Person, die nichts erleidet, Unerschütterlichkeit (stoisches Ideal).
 
 
 
[16] Siehe Fragment Nr. 27.
 
 
 
[17] Abwesenheit von (geistiger) Störung, die aus der Enthaltung von Urteilen resultiert.
 
 
 
[18] Dieser Absatz erwähnt einige jener „zweihundertachtzig Arten von höchsten Gütern“ (Fragment Nr. 27), welche die Philosophen ersonnen haben, wie Varron bemerkt. Siehe Aufsätze, II, 12, S 576-578.
 
 
 
[19] Die Gelehrten. Ironische Anwendung: jene, welche vorgeben, die Welt über etwas zu erhellen, das sie selbst nicht erkennen.
 
 
 
[20] „Die Ursache einer Wirkung ist immer zugleich auch deren Kausalität (die Erklärung dieser Auswirkung) sowie deren Gesetzmäßigkeit, auf welche Weise diese Auswirkung nun der ihrer Ursache nach entsprechendste Zustand ist.“ (L. Thirouin). Über diese typisch pascalsche Betrachtung beziehe man sich auf eine Ausgabe des Kuriers des Internationalen Zentrums Blaise Pascal (Nr. 20, 1998), die sich mit diesem Gedanken auseinandersetzt.
 
 
 
[21] Bei Mt, XVIII, 3, spricht Jesus zu seinen Jüngern: „Wenn ihr euch nicht bekehrt und nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen.“
 
 
 
[22] Aufsätze, I, 54, S 312-313: „es gibt eine kindliche Unwissenheit, welche vor der Weisheit kommt; eine andere, gelehrte, die nach der Weisheit kommt. (...) Die Metis (= von grch. meta, ist zwischen), also die Halbweisen, die jene erste Wohnstatt der buchstäblichen Unwissenheit verschmäht haben und nicht vermochten, jene zweite zu erlangen (ihr Hinterteil gleichsam zwischen zwei Stühlen, zwischen denen, wo ich bin, und so vielen anderen), sind gefährlich, albern, ungehörig: sie stören die Weltbegebenheiten.“
 
 
 
[23] Durchgestrichenes Fragment, da es sich auf der Rückseite des vorhergehenden Fragmentes befand und sein Gegenstand vom Abschnitt Ursache der Wirkungen nicht wieder aufgenommen wurde.
 
 
 
[24] Das mechanische Prinzip anerkennen, um mit Descartes zu sprechen, bedeutet nicht, das kartesianische System über die Natur solchermaßen, wie er sich in Die Welt oder in den Grundlagen der Philosophie verbreitet, anzuerkennen. Dem Arzt Menjot entsprechend, nannte Pascal die kartesianische Philosophie anderswo „den Roman über die Natur, ein bißchen sehr mit der Geschichte Don Quichottes vergleichbar“ (siehe Gesammelte Werke, I, S 831). Im 17. Jhdt. impliziert jener Begriff der Philosophie die Naturwissenschaft, d. h. ursprünglich die Physik.
 
 
 
[25] „Das strenge Recht ist ein großes Unrecht“ (Cicero, De officiis, I, 10, 33; vgl. Terenz, Heautontimoroumenos). Dieser Aphorismus, den Pascal in dem Werk Über die Weisheit von Charron (I, 37, Edition Fayard, Sammlung „Corpus“, 1986, S 238) zu lesen Gelegenheit hatte, ist keine grundsätzliche Verurteilung des Gesetzes, sondern der Rechtssprechung nach dem Buchstaben in der Anwendung desselben. 
 
 
 
[26] Jene Vorstellung, die Gewalt sei rechtmäßige Quelle der Autorität, ist im 17. Jahrhundert allgemein gebräuchlich und anerkannt. Es ist sogar ein überlieferter Grundsatz der französischen Monarchie, daß der König seinen Titel nur „Gott und seinem guten Schwert“ verdankt.
 
 
 
[27] Das Ende des XII. Provinzialbriefes zeigt die Gewalt auf der einen und die Wahrheit auf der andern Seite: „Es bedeutet einen absonderlichen und langen Kampf, sooft die Gewalt die Wahrheit zu unterdrücken sucht. Alle Bemühungen der Gewalt vermögen die Wahrheit nicht zu schwächen und dienen nur dazu, die letztere nur umso mehr zu enthüllen. Alle Erkenntnisse der Wahrheit vermögen nichts über die Gewalt und entfachen jene nur noch mehr“ (Die Provinzialbriefe, Edition Cognet-Ferreyrolles, Paris, Bordas, Sammlung „Klassiker Garnier“, 1992, S 234). Dennoch nimmt die Gewalt wider ihren Willen ein Ende, sehr zum Vorteile der Wahrheit: „Die Gewalt verfügt kraft der göttlichen Ordnung nur über einen beschränkten Lauf, welcher die Wirkungen der Gewalt durchaus zum Ruhme der Wahrheit lenkt, die sie eigentlich bekämpfen will“ (ebdt., S 234-235).
 
 
 
[28] Vom wahrhaften Recht und der vollkommenen Gerechtigkeit besitzen wir kein festes und genaues Beispiel; wir haben für unseren Gebrauch nur gleichsam einen Schatten, ein Gleichnis von ihnen“ (Cicero, De officiis, III, 17; aus: Aufsätze, III, 1, S 796).  
 
 
 
[29] Pascal selbst hatte, als er seine Rechenmaschine konstruierte, jene Erfahrung der Animosität gemacht, auf welche die Erfinder allenthalben stoßen. Siehe den Brief, an den Herrn Kanzler gerichtet (1645): „Jene Erfindungen, die nicht bekannt sind, haben stets mehr Kritiker als Bewunderer: man tadelt jene, welche die Erfindungen gemacht haben, weil man über sie keine vollständige Kenntnis hat; und die Komplexität, die man sich mit außergewöhnlichen Dingen verbunden denkt, bewirkt vermöge eines ungerechten Vorurteils, daß man, anstatt sich mit ihnen zu befassen, um ihren Wert schätzen zu lernen, sie der Unmöglichkeit zeiht, um sie endlich als anstößig abzulehnen“ (Gesammelte Werke, II, S 333).  
 
 
 
[30] In Anlehnung an Aufsätze, I, 42, S 259: „in Ansehung der menschlichen Wertschätzung ist es wahrhaft bemerkenswert, daß, außer uns, jedes Ding sich nur nach seinen eigenen Fähigkeiten beurteilt. Wir mieten ein Pferd je nachdem, wie kräftig und geschickt es ist (...), und nicht nachdem, wie schön dessen Harnisch ist (...). Weshalb schätzen wir dann einen Menschen nicht ebenfalls nach seinen Eigenschaften ein? Er hat eine vornehme Lebenshaltung, einen prächtigen Palast, so viel Ansehen, so viel Vermögen: all das ist außer ihm, nicht in ihm.“
 
 

 




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