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Das Programm eines deutschen Dichters zu entwerfen ist gewiß kein unschwieriges Unterfangen – vor allem dann nicht, wenn besagter Dichter Angehöriger der österreichischen Nation ist und alles gesunde Deutschtum seit der unseligen Zeit des Nationalsozialismus als gewissermaßen kränkelnd betrachtet wird. Aber vielleicht scheint es ja gerade deswegen an der Zeit, einmal jener Frage nachzugehen, was man denn nun unter einem deutschen Dichter eigentlich zu verstehen habe und unter welchen Postulaten ein solcher überhaupt gedacht werden kann! Zunächst gilt es folgende Frage aufzuwerfen: was ist deutsches Wesen und was ein Dichter? Es kann jemand freilich Dichter sein, ohne ein Deutscher zu sein, und es kann freilich in noch viel höherem Maße jemand Deutscher sein, ohne ein Dichter zu sein; aber der Begriff des deutschen Dichters ist untrennbar mit den rechten Begriffen von deutsch und dem eines Dichters verbunden – dergestalt, daß das eine nicht ohne das andere bestehen kann! Um nun unserem Begriffe ein wenig näherzukommen, wollen wir das Rad unserer Geschichte um etwa tausend Jahre zurückdrehen, nämlich zur Geburtsstunde des

Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation!

Wie verhält es sich mit diesem Reich, das recht eigentlich ein heiliges Mysterium ist, und inwieferne hat es nun mit unserem Begriffe eines deutschen Dichters zu schaffen? Obwohl die Grundlegung des Heiligen Römischen Reiches offiziell ins Jahr 962 unter Otto den Großen fällt, ist der wahre Begründer desselben zweifelsohne Karl der Große – auch wenn es damals noch vorzugsweise dem ideellen Sinne nach bestand! Mit der Kaiserkrönung Karls am Weihnachtstag des Jahres 800 durch Papst Leo III. hat der Begriff „deutsch“ im Sinne des Germanentums erstmals seine hohe Weihe und Beglaubigung erfahren. Dieser gleichsam zunächst noch zufällige Actus der Koronation durch den Papst hat unbewußt das gezeitigt, was später mehr und mehr zum erhabenen, unantastbaren Symbol des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation geworden ist: denn in Wahrheit verstand sich das alte Römerreich mit seinen ersten Christen als die Bewahrerin der apostolischen Nachfolge im Sinne der Christenheit, und nach dem Zusammenbruch desselben erstand mit dem Erstarken des karolingischen Hauses allmählich das Frankenreich, das, zunächst noch unbewußt, mit Recht sich anmaßen durfte, die Nachfolge des weströmischen Reiches anzutreten. Gleichsam durch das Erstarken des Papsttums durch die wachsende Christianisierung Europas entstand jenes Mysterium, das in der geheimnisvollen Wechselwirkung zwischen Imperium und Sacerdotum bestand. Der Pontifex als Statthalter Gottes auf Erden und geistlicher Beschützer des Kaisers, der Kaiser und Imperator hinwiederum als der weltliche Statthalter von Gottes Gnaden und heilige Beschützer der Kirche, des Christentums und des Papstes. Jene Idee war es, welche dem germanischen Kaisertum zugrunde lag – denn „Kaiser“ leitet sich von nichts geringerem als „Cäsar“ her – und die nach dem Zerfall des weströmischen Reiches schließlich auf die Deutsche Nation übertragen ward. Die wahre Geburtsstunde unseres Deutschland schlägt also im Jahre 800 in der Peterskirche zu Rom, wenn auch der spätere Begriff und Name erst während der Herrschaft der Sachsenkaiser zu seiner wahren Bedeutung gelangte. Nach dem bisher Gefolgerten können wir also sagen: der rechte Begriff von „deutsch“ leitet sich aus der Geschichte des christlichen Germanentums her, indem die Germanen die Römer gleichsam in ihrer Hegemoniestellung innerhalb Europas ablösten und durch die Verflechtung von Papst- und Kaisertum jenes geheimnisvolle Mysterium von Imperium und Sacerdotum entstand, das seinen Ausdruck in der Gründung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation fand – eigentlich ein Schutz- und Trutzbündnis zwischen Papst und Kaiser zu gegenseitiger Treue, zur Beförderung und Wohlfahrt des Volkes und zuletzt die höchste Verwirklichung jener erhabenen Idee eines irdischen Gottesstaates!
Wie wir heute wissen, umfaßte jener große Gedanke mehr oder weniger ganz Mitteleuropa innerhalb seiner Grenzen oder doch etwa all jene Lande, in denen eine Kulturform, nämlich die abendländische, und eine Sprache, nämlich die deutsche, und eine Religion, nämlich die christliche, vorherrschend war. Freilich war das Heidentum zunächst noch weit verbreitet, doch nach und nach erfaßte die Christianisierung durch die Missionare auch die entlegensten Teile Europas; daß die Verbreitung des christlichen Wortes teilweise auf höchst grausame Weise erfolgte (Sachsenschlächtereien), soll an dieser Stelle keineswegs verschwiegen werden, doch ist das eherne Gesetz von der Sündhaftigkeit und Unvollkommenheit unseres Menschengeschlechtes so tief mit unserer subhumanen Natur verwurzelt, daß es, solange wir aus der Geschichte unserer Ahnen nicht lernen, die mannigfachen Probleme unserer Gegenwart zu meistern, vermessen schiene, die Fehltritte unserer Altvorderen bedingungslos zu verurteilen. Solange es also in unserer vermeintlich aufgeklärten Zeit noch genügend Mißstände und Frevel gibt, die es zu bekämpfen gilt, hüte sich jeder davor, mit dem Finger auf vergangene Epochen zu zeigen! Aus dem zuvor Gesagten erhellt, daß „deutsch“ nicht die natürlichen Grenzen Deutschlands meint, sondern unsere Sprache, unsere Kultur, unsere Religion, und in diesem Sinne sind freilich der Schweizer und Südtiroler, der Österreicher und Deutsche gewissermaßen ein Volk, verbunden durch das Band einer gemeinsamen Geschichte, und wir alle untereinander sind Brüder! Daraus folgen die drei großen Gesetze des deutschen Dichters, nämlich 

daß der deutsche Dichter seine Nation liebt, die erhabene Idee jenes irdischen Gottesstaates, die im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation so beredten Ausdruck fand und in der innigen Vereinigung einer gemeinsamen Geschichte und Kultur, Religion und Sprache seinen Ursprung hat, und daraus folgt notwendig das zweite Gesetz, 

daß der deutsche Dichter Royalist, also ein Verfechter des monarchischen Gedankens ist. 

Die Idee des ersten Gesetzes nämlich ist ohne das notwendige zweite schlechterdings unmöglich, nämlich daß die Nation im durch Gottes Gnaden eingesetzten König oder Kaiser einen Beschützer erhält, der mit starkem Arm das Gedeihen der Kirche beschirmt, während jene das weltliche Imperium mit dem Gedanken des Christentums nährt und durchdringt. Das dritte Gesetz ist nicht minder wichtig, denn es besagt 

daß der deutsche Dichter andere Nationen um ihrer Verschiedenheit und nicht um ihrer Gemeinsamkeit willen respektiert und die höchste Achtung vor britischer, französischer oder orientalischer Lebensart hat und auch den Urvölkern und Naturvölkern ihren rechtmäßigen Platz innerhalb der Menschheit zuteil werden läßt. Gegenseitiger Respekt um der Verschiedenheit willen befördert die Toleranz und verlangt nicht, daß die eine Nation um einer anderen willen ihre Eigentümlichkeiten aufgebe. Der deutsche Dichter betrachtet seine Nation nicht als einer anderen überlegen, sondern er betrachtet dieselbe als die ihm eigentümliche und er wird sie nicht etwa deshalb mehr lieben, weil sie besser ist, sondern eben deshalb, weil es die seine ist! 

Haben wir nun versucht zu erklären, was deutsches Wesen, so geht es nun um die Frage, was ein deutscher Dichter sei. Deutsche Dichter hat es in der klassischen Zeit viele gegeben, als deren leuchtende Gestirne unsere beiden Nationaldichter, Goethe und Schiller, erhaben über ihren Trabanten thronen. Eine geheimnisvolle Wechselwirkung scheint indessen zwischen dem Erlöschen des Heiligen Römischen Reiches im Jahre 1806 und dem Ende des deutschen Dichters zu bestehen. Das neunzehnte Jahrhundert brachte dergleichen noch hervor, das zwanzigste noch gelegentlich, das einundzwanzigste keinen einzigen mehr! Die Ideen der klassischen Dichtkunst scheinen offenbar mit der Idee des Sacrum Romanum Imperium zu Grabe getragen, wenn auch unser gegenwärtiges, vereinigtes Europa einen verkrüppelten Versuch darstellt, die Idee eines vereinigten Europa im modernen Sinne wieder zu beleben, das allerdings ausschließlich in wirtschaftlichen und politischen Überlegungen seine Triebfedern hat – und damit schlichtweg unbrauchbar ist, die Nationen anders als allein durch Nutzen und Profit zu verbinden. Wir sehen die fatalen Folgen, die daraus erwachsen, wenn eine Gemeinschaft keine gemeinsame Grundlage hat, die im Ideellen wurzelt und die nur aus eben demselben Grunde fähig ist, ein Gemeinwesen zu tragen und zu erhalten. Aus dem soeben Gesagten wiederum erhellt, 

daß der deutsche Dichter die ideellen Werte des Christentums zu seiner Grundlage hat und jene in der gefälligen Form des Wahren, Guten und Schönen vermittelt, das sich im eigentümlichen Charakter seiner Nation wiederspiegelt und die Sprache nicht als nüchternes Instrument zur bloßen Mitteilung, sondern im ästhetischen Sinne anwendet, um die Seele des Menschen zu ergreifen und zu berühren und in einen idealischen Zustand zu versetzen. 

Unter keinen anderen Voraussetzungen kann der Begriff eines deutschen Dichters faßlich gemacht werden; der deutsche Dichter ist also gleichsam Nationalist, ohne Chauvinist zu sein, er ist gleichsam Royalist, ohne antidemokratisch zu sein, und er ist vor allen Dingen Christ, ohne konfessionell zu sein. Der deutsche Dichter mag indessen ausgestorben sein – keineswegs aber seine Idee, und solange jene existiert und am Leben erhalten wird, wird es auch immer wieder deutsche Dichter geben, welche jene Dinge zu bewahren versuchen, die von anderen mit Füßen getreten oder doch stets in einem falschen, pejorativen Lichte dargestellt werden. Seine Nation zu lieben, seine Sprache, Kultur, Glauben oder Heimat zu lieben hat nichts zu tun mit Menschenverachtung oder gar etwas mit jenem Vorwurf zu schaffen, auf andere als minderwertig herabzusehen; es ist vielmehr ein herrliches Zeugnis dafür, daß wir andere eben deshalb lieben können, weil wir uns selbst lieben, und andere eben deshalb hochschätzen können, weil wir uns selbst hochschätzen! Nur wenn jene Begriffe in einem falschen Sinne verstanden und mißinterpretiert werden, werden sie uns Menschen zu einem Eckstein, an dem wir selbst scheitern werden; der deutsche Dichter hat damit rein gar nichts zu schaffen! Er hält das Banner seiner Nation hoch; hoch am blauen Himmel weht der deutsche Aar im Winde, von strahlender Sonne umglänzt, wo es die Gedanken des Niedriggesinnten nicht zu beschmutzen vermögen!




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