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Der wohl bedeutendste Repräsentant romantischer Kunstauffassung in der deutschen Malerei wird am 5. September des Jahres 1774 im pommerschen Greifswald als sechstes von zehn Kindern eines Seifensieders geboren. Sein Leben wird bereits in frühester Kindheit von Depressionen und Selbstmordgedanken überschattet, als sein Bruder – der Knabe Caspar David war beim Schlittschuhlaufen ins Eis eingebrochen – ihm das Leben rettet und nun seinerseits vor dessen Augen ertrinken muß; diesen frühen Schicksalsschlag vermochte er Zeit seines Lebens nicht mehr zu überwinden.
Den ersten Kunstunterricht erhält C. D. Friedrich zunächst in seiner Heimatstadt von dem Architekten und Universitätslehrer Johann Gottfried Quistorp, der 1794 schließlich auch die Aufnahme des jungen Künstlers an der königlichen Akademie zu Kopenhagen durchsetzte und erwirkte, daß er dort bis 1798 ein Kunststudium belegen konnte. Diese Akademie besaß den vorzüglichen Ruf, eine der angesehensten und besten ihrer Art in ganz Europa zu sein; es lehrten dort so berühmte Persönlichkeiten wie die beiden dänischen Maler N. Abildgaard und J. Juel, die lange Zeit auch als Leitfiguren für die folgende Periode der deutschen romantischen Malerei galten. Während jener Zeit beginnt er auch, sich mit dem Studium frühromantischer Schriften zu beschäftigen. Nach Beendigung seines Studiums übersiedelt der junge Friedrich nach Dresden, dem damaligen Zentrum der frühromantischen Künstlerbewegung in Deutschland, wo er alsbald auch mit dem dortigen Dichterkreis in Berührung kommt. Er macht die Bekanntschaft von Tieck, Novalis und der Brüder Schlegel
[1] und lernt den ebenfalls dort ansässigen romantischen Maler Philipp Otto Runge [2] kennen, mit dem ihn zeitlebens eine enge Freundschaft verband. Dem seinerzeit üblichen Hang der damaligen Künstlergeneration zu den vom strengen Klassizismus geprägten Studienreisen nach Italien stand der junge Maler stets ablehnend gegenüber; stattdessen unternimmt er gelegentliche Wanderungen in den Harz oder ins Riesengebirge, um sich dort Inspirationen für sein Werk zu verschaffen.
1803 endlich hatte er den absoluten Tiefpunkt seiner persönlichen Entwicklung erreicht; er leidet unter starken Depressionen und wird einmal mehr von heftigen Selbstmordgedanken gequält. Dessenungeachtet avanciert Friedrich – der sich inzwischen als Prospektmaler einen gewissen Namen gemacht hatte – bald zur führenden Persönlichkeit der neuen romantischen Malerbewegung in Dresden, obschon sich der Kreis seiner Anhänger nur auf sehr wenige beschränkte.
Sein bedeutendstes Frühwerk und erstes Gemälde in Öl, „Das Kreuz im Gebirge“, welches 1808 entstand und ursprünglich als Altarbild für die Hauskapelle des Grafen von Thun im böhmischen Tetschen gedacht war, wird sehr bald zum Gegenstand eines bemerkenswerten Kunststreites, als er das Werk anläßlich der Weihnachtsfeiertage in seinem Atelier ausstellt – einerseits, weil das Bild nicht – wie allgemein gefordert – eine biblische Szene vorstellte, andererseits, da der Maler sich nicht der seinerzeit allgemein gültigen Kunstauffassung der italienischen Schule fügen wollte. Die „Zeitung für die elegante Welt“ hatte diesbezüglich guten Grund, der neuen romantischen Kunstströmung vehement entgegenzutreten und diese als einseitig, unhistorisch und profan zu verurteilen. Das Werk indessen – ein dunkel gegen den Himmel, steil aufragender Felsengipfel, auf dessen oberster Spitze sich ein hohes Kruzifix, vom letzten Abendrot beleuchtet, vor einem sich gleichsam ins Unendliche dehnenden Abendhimmel ohne Horizont befindet – überrascht durch seine Motivwahl ebenso wie durch seinen Standpunkt, Bildschnitt und räumlichen Aufbau und wird auf diese Weise gleichsam zum Inbegriff der romantischen Bewegung innerhalb der Malerei. Nicht umsonst verteidigt Heinrich von Kleist das Werk in seiner Zeitschrift „Phoebus“ auf das allerheftigste, und auch der schwedische Gelehrte P. D. A. Atterbom äußert sich darüber enthusiastisch:

„Er (Friedrich) hat neulich ein Altarbild gemalt, welches göttlich schön ist: eine majestätische Waldlandschaft, auf der inmitten der höchsten Bergspitzen, hoch über gewaltigen Fichten und dunklen niederen Partien, ein kolossales Schwert mit der Spitze in den Felsboden gestoßen ist und es so als leuchtendes Kreuz im goldenen Sonnenschimmer den Beschauer begrüßt ...“

Nachdem Friedrich 1810 außerordentliches Mitglied der Berliner Akademie geworden war und zwei weitere Gemälde, „Der Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“ auf der Herbstausstellung der Berliner Kunstakademie präsentiert hatte, werden beide Werke vom kunstliebenden Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, dem späteren König Friedrich Wilhelm IV., angekauft, und selbst Goethe, der den Künstler am 18. September des selben Jahres in seinem Atelier besucht, bemerkt hingerissen: „Wie selten ist das Vollendete! So daß man es auch in der wunderlichsten Art hochschätzen und sich daran erfreuen muß!“ Im Sommer des nämlichen Jahres wandert Caspar David Friedrich mit dem Maler Kersting [3] durchs Riesengebirge.
In den nun folgenden Jahren widmet sich der aufstrebende Künstler vorzüglich der Malerei, besucht hin und wieder seine Geburtsstadt Greifswald oder wandert, alleine oder in Begleitung auf Rügen, in den Harz oder im böhmischen Randgebirge.
1816 wird Friedrich als Mitglied in die Dresdener Akademie aufgenommen, welche ihm ein festes Einkommen von 150 Talern zusichert, sodaß er 1818 schließlich Caroline Bommer aus Dresden heiraten und sich im Haus am Terrassenufer niederlassen konnte. Dieser Umstand gestattet ihm auch, einige Jahre in bescheidenem Wohlstande zu leben; seine Bilder werden nun auch an den Berliner Hof, an den Hof in Dresden aber vor allen Dingen an den Hof zu St. Petersburg verkauft, wo Friedrich in Nikolaus I., dem späteren russischen Zaren, ein besonderer Gönner lebte, der seit 1820 als sein treuester Kunde galt und ihn sogar einmal in seiner Wohnung in Dresden besuchte. Dessenungeachtet führt eine allmähliche Abnahme des Interesses an seiner Malerei Mitte der Zwanziger Jahre wiederholt zu Depressionen und Schlaganfällen, und enttäuscht zieht sich der ohnehin exanthropische Friedrich noch mehr von der Gesellschaft zurück. Verbittert bekennt er einmal: „Ihr nennt mich einen Menschenfeind, weil ich die Gesellschaft meide; ihr irret! Ich liebe sie! Doch um die Menschen nicht hassen zu müssen, muß ich den Umgang mit ihnen unterlassen!“
Im Jahre 1824 wird er vom sächsischen König zum außerordentlichen Professor an der Kunstakademie zu Dresden ernannt, doch wußte man zu verhindern, daß er eine Lehrtätigkeit aufnehmen und somit seine „unzeitgemäße“ Auffassung von Malerei an Schüler vermitteln konnte. Trotzdem bildet sich um den Künstler ein bescheidener Zirkel von privaten Schülern, dem unter anderen auch der Arzt und Philosoph Dr. Carl Gustav Carus, den Friedrich bereits 1817 kennengelernt hatte, sowie der Maler August Heinrich angehören.
Die folgenden Jahre werden von allerlei Krankheiten, von Bitterkeit und Schwermut überschattet. Nur noch selten besuchen ihn Leute in seinem Atelier, so etwa der Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen oder der französische Bildhauer David d’Angers. Allein der russische Zar verbleibt ihm in jener Zeit noch als der einzige bedeutende Käufer seiner Bilder. Eine zunehmende Ablehnung von Friedrichs Malerei endet wiederum in verstärkten Anfällen von Depressionen und Apoplexien. Ein grober Schlagfluß im Jahre 1835 endlich lähmt die rechte Hand des Malers und somit auch dessen Produktivkraft. Es folgt ein Kuraufenthalt in Teplitz. Nur ein Jahr später, nach halbwegs erfolgter Genesung, erwartet er die sehnlichst verhoffte Ernennung zum Amt eines Honorarprofessors – und wird abgewiesen; der Gelehrte Ludwig Richter erhält den von ihm angestrebten Amtsstuhl! Diesem Schicksalsschlag vermochte der angeschlagene Gesundheitszustand Friedrichs nicht mehr standzuhalten; er bricht daraufhin physisch wie psychisch vollends zusammen. Die letzten Jahre seines Lebens verbringt Caspar David Friedrich kränkelnd, in Trauer und Verzweiflung, unterstützt durch gelegentliche Bildankäufe des Zaren. Unfähig zur Malerei, seiner künstlerischen Tätigkeit auf immer beraubt, gerät er immer mehr ins Abseits und zuletzt, von allen Seiten abgelehnt, ganz in Vergessenheit. Zum Zeitpunkt seines Todes ist er hoch verschuldet. Der große Meister der deutschen Romantik stirbt am 7. Mai 1840, in geistiger Verstörtheit und völlig vereinsamt, in Dresden. Am 10. Mai wird er auf dem Trinitatisfriedhof in Dresden-Johannstadt beigesetzt.
Caspar David Friedrich war zweifelsohne eine der leuchtendsten Erscheinungen am Himmel der deutschen Malerei. Er schuf einen völlig eigenständigen Stil von außerordentlicher Transparenz sowie zarter Bestimmtheit und Sinnlichkeit. In seinen Gemälden zeigt sich außerdem eine exakte Erfassung des Einzelnen, die Farben bringt er zumeist nur sehr verhalten zur Geltung. Friedrich war in seiner Eigenschaft als Romantiker in erster Linie Landschaftsmaler, er schuf aber auch hervorragende Bildnisse figürlicher Darstellungen sowie Selbstportraits, die von hohem künstlerischen Rang zeugen. Er malte akribisch genau, ergänzte und vervollkommnete seine Gemälde immer wieder durch unzähliges Übereinanderschichten von einzelnen Lasuren, wodurch die Fertigstellung mancher Gemälde oftmals mehrere Jahre hindurch andauerte. Bezeichnend für den romantischen Malertypus malte er den Menschen, zumeist nur als Rückenfigur dargestellt oder silhouettiert, in ergebene und stille Betrachtung vertieft, die Landschaft gleichsam als Offenbarung empfangend. Der französische Bildhauer David d’Angers bezeichnete Friedrich einmal als den „Entdecker der Tragödie in der Landschaft“.
Friedrich besaß zwei Töchter und einen Sohn, die ihm alle erst nach seinem fünfundvierzigsten Lebensjahre geboren wurden. Sein Leben war – wenige glückliche Momente ausgenommen – fast durchgehends geprägt von Melancholie, Betrübnis, Schwermut, Trauer, Enttäuschung, Bitternis, fortwährenden Selbstmordgedanken und innerlicher Verzweiflung, wie es einem romantischen Gemüte nun so gerne inwohnend ist. Von der Unmenschlichkeit jener beständigen Qualen erschöpft und müde, begrüßte er den endlichen Tod als Erlösung. Lassen wir den unvergessenen Meister aller romantischen Malerei abschließend selbst zu Wort kommen:
„Die einzig wahre Quelle der Kunst ist unser Herz, die Sprache eines reinen, kindlichen Gemüts. Jedes echte Kunstwerk wird in geweihter Stunde empfangen und in glücklicher geboren, oft dem Künstler unbewußt aus innerem Drange des Herzens. Schließe dein leibliches Auge, damit du mit dem geistigen Auge zuerst siehest dein Bild. Dann fördere zutage, was du im Dunkeln gesehen, daß es zurückwirke auf andere von außen nach innen.“
 
C. D. Friedrich
 

[1] Die Genannten galten zusammen mit dem Dichter Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773-1798) als die Begründer der Kunst- und Lebensauffassung der Frühromantik.
[2] Philipp Otto Runge (1777-1810) war die zweite Zentralgestalt der deutschen romantischen Malerei und der eigentliche Begründer jener Bewegung, deren Programme er auch in Briefen und Schriften niederlegte. Seine Kunst innerhalb dieser Strömung ist von hohem Rang.
[3] Georg Friedrich Kersting (1785-1847) malte, von C. D. Friedrich beeinflußt, schlichte, vom Licht belebte Bilder bürgerlicher Wohnräume und ihrer Bewohner.
 
 



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