Einst saß ich vorn am Wagen
beim Schwager Postillon,
und wacker ging’s, im Jagen
mit Hü und Hott davon.
Das Land schien, als entflöhe
es hinter mir im Sturm! –
da winkte von der Höhe
ein altersgrauer Turm.
So einsam lag die Aue,
und schweigend ringsumher;
darüber hingen graue
Gewölke, regenschwer.
Nun zog’s mich ungeheuer
hinauf den Hügelsaum
zum finsteren Gemäuer
beschirmt vom Ulmenbaum.
Es flüsterten die Winde
im hohen Rispengras
als ich die Wiesengründe
mit bangem Schritt durchmaß.
Wo an dem düstern Orte
die alte Ulme stand,
ging ich durch eine Pforte,
die Geißblatt dicht umwand.
Im Herzen fromme Schauer,
trat ich im Kirchhof ein;
gehüllt in stille Trauer
an öden Gräberreih’n.
Ein alter Wall zog trotzig
sich längs der Stätte hin,
mit Zinnen, plump und klotzig
umrankt vom Immergrün.
Ein Rundturm, grau verwittert,
dem Tore nebenbei,
von Pfeifengras umzittert
die Scharten der Bastei.
Der Wehrgang halb zerfallen,
versunken allgemach,
und rote Nesseln wallen
ums faule Schindeldach.
Der Karner in der Ecke
von grauem Tuffgestein;
darinnen bis zur Decke
Geripp’ und Totenbein.
Dem Mauerwerk entragen
Moosflechten, braun und gelb;
aus grauer Vorzeit Tagen
die Fresken am Gewölb’.
Des Kirchturms plumpe Massen
in alter Herrlichkeit,
den Mauern rings umfassen
noch aus roman’scher Zeit;
daran die Kirchenhalle
vom Dache längst entblößt,
in traurigem Verfalle
mit leeren Fenstern stößt.
Die blanke Marmorschwelle
geründet, am Portal
zur gotischen Kapelle,
durch Schritte sonder Zahl!
Ein schwermutsvoller Schimmer
vom grauen Wolkenmeer
fiel durch des Maßwerks Trümmer
vom Bogenfenster her!
Ich lenkte meine Schritte
nun an ein hohes Tor,
und durch der Halle Mitte
zuletzt hinan zum Chor;
der mich gebrochnen Bögen,
vom Efeugrün umschirmt,
dem Himmel sich entgegen
als Steingerippe türmt.
Was in der Gruft der Zeiten
die arme Seele spürt,
vom Hauch der Ewigkeiten
und Gottes Geist berührt;
die zwischen Tod und Leben
um ew’ge Liebe ringt,
in göttergleichem Streben
die Wesenheit durchdringt, –
– geheimnisvoll in Welten
voll tiefer Sehnsucht taucht,
in Seufzern, ungezählten,
im Busen sich verhaucht! –
Dort hab’ ich es erfahren,
zu Staub ward mein Geschick,
und tausend Jahre waren
mir wie ein Augenblick!
Was in der Gruft der Zeiten
die arme Seele spürt,
gleicht jungfräulichen Bräuten
die man zur Brautnacht führt! –
In Schauern steigt hernieder
als Bräutigam der Tod;
doch jeder Nacht folgt wieder
ein neues Morgenrot!
Zurück
|