DeutschFrançaisEnglish
   
 
   
   
   
 
 
     
   
 

 


Ballade

Ei siehst du, wo am grünen Pfade
das Försterhäuschen steht? – ,
die weinumrankte Holzfassade
vom Birnbaum überhöht? –
Dort wohnte, vor vielhundert Jahren
ein Mägdlein, wonnereich;
und ob der Schönen viele waren
war keine doch ihr gleich!

Es sprach mit stillem Wohlgefallen
der Haufen allgemein,
das schönste Mädchen wär’ vor allen
des Försters Töchterlein.
Im Städtchen, wenn an schönen Tagen
sie durch die Gassen ging
gar mancher Blick mit viel Behagen
nur an der Jungfrau hing!

Es hätte wohl manch kühner Freier 
zum Liebchen sie begehrt;
allein sie hat um solche Leier
den Kuckuck sich geschert!
So sah man sie gar fröhlich walten
in Züchten allezeit
betrachteten gleich manche alten
Matronen sie mit Neid.

Marie, so hieß das Kind mit Namen
war sonntags obendrein
von allen, so zur Kirche kamen 
das frömmste Jüngferlein.
Sooft im Stift zu Berchtesgaden
der Pfaff’ die Messe las,
war sie die Erste, voller Gnaden,      
die vorn im Betstuhl saß!

Einst ging Marie an Jubilate
geschürzt und blank beschuht, 
im allerschmucksten Sonntagsstaate
zu Markte wohlgemut.
Sie pflegte dort noch manches Weilchen
dem Treiben zuzusehn
um nachher jene ein, zwei Meilchen
zum Försterhaus zu gehn.
 
Sie eilte, nach gewohnter Sitte
des Weges gar nicht bang
tripptrapp tripptrapp, mit raschem Schritte,
ein Gäßchen frisch entlang.
Doch plötzlich, halt! – ganz ungeheuer
erschreckete sie sich! –
als heimlich, huh, aus dem Gemäuer 
ein grauer Schatten schlich!
 
Und sieh, mit Kutte und Sandale
gar schaurig angetan
vertrat jetzt, husch! – mit einem Male
der Schatten ihr die Bahn!
Zwei spindeldürre Knochenhände
drauf fuhren stracks hervor
und fort am Ärmchen ging’s behende
durchs nahe Klostertor.

Sie wußte kaum sich zu erraffen
und nicht, wie ihr geschah
als sie den Augustinerpfaffen
des Klosters vor sich sah!
Fast war es, daß dem ärmsten Kinde
das Herz im Busen sprang,
als er mit Worten voller Sünde
begehrlich in sie drang.

„Nur still“, begann der Mönch mit Tücke 
im gelben Schöpsgesicht,
„der Herr lenkt gnädig die Geschicke
drum fürchte, Kind, dich nicht!
Den Vater wollen wir nur loben
nunc in ardentibus
den Herrn, so ist im Himmel droben
O vivat dominus!“

„Der hochgebenedeiten Frauen“,
sprach der Verruchte nun,
„auch wollen wir uns anvertrauen
und fleißig Buße tun!
Drum ach, nur eine winzigkleine
Vergunst gewähre mir
denn glaub’ mir, liebes Kind, ich meine
es wahrlich gut mit dir!“

„Mariechen, ei“, so fuhr beflissen
der Lügenpfaffe fort,  
„zu Gottes Ehr’ ein wenig küssen
gilt mehr als jedes Wort!
War denn an solcher Himmelsfreude
was Arges je dabei?! –
Und wär’ es gleich, ich spräch’ uns beide
von aller Sünde frei!“

Als der verruchte Seelenkäufer
nun nahete in Gier,
die blauen Lippen voller Geifer
wie grauete es ihr!
Am Kuttenzipfel packt’ sie schnelle
den klapperdürren Gauch
und hei, schon flog er durch die Zelle
wie Spreu im Windeshauch!
 
Es hallte in den öden Gängen
des Klosters irgendwo
von mystischen Choralgesängen
als schaudernd sie entfloh;
erst in der Mauer durch ein Pförtchen  
dann in den Kreuzgang, husch! –
vorbei an Gasse, Markt und Gärtchen
durch Dorn und Haselbusch!

Die Ärmste war in ihrem Jammer
so gar untröstlich doch
daß zitternd sie in ihrer Kammer
im Pfühle sich verkroch.
Ihm ihren Kummer zu entdecken
der Vater flehend bat;
allein Marie, voll heißem Schrecken
schwieg stumm zur Freveltat!

Die Farbe wich nach manchen Tagen 
aus ihrem Angesicht;
doch unverdrossen, ohne Klagen
tat sie nur ihre Pflicht!
Das Lächeln schwand von ihren Wangen,
wie Schnee im Sonnenschein! –
Wie war ihr Frohsinn ganz vergangen! –
Was hotzelte sie ein! –
 
Der Pfaffenbeutel sann indessen
auf Rache allerhand
denn ach, er konnte nicht vergessen
die Schmach, die er empfand!
Wie brannte ihm auf dem Gewissen
die lose Freveltat! –
Von Nöten hin- und hergerissen
schafft’ endlich er sich Rat!

„Wenn ich das Ding so recht bedenke,
hat sie“, so fing er an,
„gewiß durch zauberische Tränke
mir’s heimlich angetan! –
hat wohl, den Sinn mir zu berücken
mit Künsten mancherlei,
besprochen mich mit Hexenstücken
und schnöder Zauberei!“

Zum Fronvogt ließ sogleich er schicken;
bald waren, wie sich fand,
bewehrt mit ellenlangen Piken
vier Schergen flink zur Hand!
In tiefe Dämmerung versunken
das Försterhäuschen lag
als horch, nun heimlich die Halunken
umschlichen Zaun und Hag.

Und lose, leise, trippel trappel
am Birnbaum ging’s vorbei
im Schatten einer alten Pappel
bis an die Meierei;
dann mit Getöse alle Viere
gewaffnet in das Haus! –
und rückwärts gleich, hurra! – zur Türe
mit Sack und Pack hinaus!

Man schliff Marie an Haut und Haaren
bis an das Hexentor;
und warf, sie sicher zu verwahren
den Riegel – kling – davor!
Es ließ nun im Verlies sie schmachten
der ehrvergess
ne Schuft,
und Kerkermeister überwachten
die öde Kellergruft.

Allnächtlich schlichen Exorzisten
sie zu beschwörn, herbei
und täglich, zu bestimmten Fristen
der Pfaffe der Propstei.
„Ei, willst du kündlich gleich bekennen“,
er in Marien drang,
„wo nicht, so wird man dich verbrennen
und foltern, nächtelang!“

„I Pfui“, rief sie, und spie dem Rächer
drauf mitten ins Gesicht;
„so schickt denn Eure Knochenbrecher,
ich fürchte doch Euch nicht!
Mein Blut, es komme über Euer
vermaledeites Haupt! –
es fürchtet weder Pein noch Feuer
wer an den Heiland glaubt!“

Der Pfaffe schäumte ob der kecken
Replik in wilder Wut;
schon schürte in dem Kohlenbecken
ein Folterknecht die Glut!
Jetzt legte, kling, man sie in Eisen
und packte sie, und schwang
den zarten Leib ihr zu zerreißen,
sie auf die Folterbank!

Der Freimann quälte im Gewölbe
Marien bis ins Mark
doch jene, immerfort dieselbe
blieb auch im Unglück stark!
Und ob in Ketten gleich und Banden
der Wüterich sie schlug: 
an ihrem Willen ward zuschanden
der üble Pfaffentrug!

Der Gurgelschneider, als nach Stunden
dem Greuel Einhalt bot
da war Marie, voll Blut und Wunden
o weh, bereits halbtot! –
Allein ein Karren harrte, siehe
am Tor der Ärmsten schon
und polterte, mit vieler Mühe,
am Pflasterstein davon! 

Weit draußen auf dem Schinderanger
von Henkerhand geschürt
da hatte man, nebst Pfahl und Pranger 
viel Reisig aufgeführt!
Der Scheiterhaufen ragte schwärzlich
im Sonnenuntergang! –
Wie ward Marien da gar schmerzlich
der fromme Busen bang! –

Jetzt fanden Schergen, Henker, Pfaffen
daselbst am Feld sich ein;
und auch, das Schauspiel zu begaffen
gar manches Bäuerlein!
„Sieh da, sieh da“, riefs im Gedränge
der schauerlichen Flur
als holterpolter, durch die Menge
der Hexenkarren fuhr!
 
„Sieh da, sieh da“, rief der, rief jener
„wie konnt’ es möglich sein?
Landauf, landab, wer wäre schöner
als nur Marie allein?“ 
„Ei nun“, rief einer, „jeden Falles
dächt’ ich, bei meiner Ruh! –
es ging’ damit nicht immer alles 
mit rechten Dingen zu!“

Man schliff Marie an Haut und Haaren 
das Antlitz bleich und fahl,
vorüber an des Pöbels Scharen 
bis an den Hexenpfahl.
Zu spät, die Ärmste zu erretten:  
denn rasselnd, klingeling! –
schloß nun der Freimann schwere Ketten
um Pfahl und Eisenring!

Ein dünnes Hemdchen, schier in Fetzen
verhüllte kaum den Schoß;
manch geilem Blick lag zum Ergetzen
der weiße Busen bloß!
Das dunkle Schicksal zu vollenden  
ward grob und ungerührt,
von schnellbereiten Bubenhänden
das Feuer angeschürt!

Wie nahten Tod sich und Verdammen
nun rasch dem armen Kind! –
Wie fachte, hui, die wilden Flammen
so hoch der Abendwind! –
Nicht Laut noch Klage ließ vernehmen
die Jungfrau, todeskrank, 
als sie, nur noch ein blasser Schemen
im Feuermeer versank!

Die Abendröte brach sich düster
an finstrer Wolken Saum
und Seufzern, ach, glich das Geflüster
des Winds im Weidenbaum.
Die blut’ge Stätte lag versunken
wie in Dämonenmacht,
und nur der Asche letzte Funken
durchglühten rot die Nacht!

Wie hat in jenen trüben Zeiten
manch arme Dulderin
des tiefsten Herzens Traurigkeiten
zu Gott emporgeschrien;
wie oft ward überm Hexenpfahle
das Feuerscheit entflammt,
und reine Unschuld tausend Male
zur Höllenpein verdammt!

Wie heut’ die alten Mären künden
geht nächtens, ringsherum
auf jenen unheilvollen Gründen
ein Irrlicht schaurig um!
Man sagt, dies sei des Pfaffen Seele
die nun auf Erden irrt,
und ruhelos die Tage zähle
bis ihr Erlösung wird!



Zurück